Wohnungsmarkt in unsicheren Zeiten
Einen solchen Preisanstieg wie zuletzt haben die Immobilienvermittler der Landesbausparkassen und Sparkassen noch nie beobachtet: Gebrauchte Einfamilienhäuser beispielsweise verteuerten sich 2020 und 2021 im Durchschnitt um 10 Prozent pro Jahr. Nach Einschätzung der für den „Markt für Wohnimmobilien“ befragten Fachleute der Landesbausparkassen und Sparkassen ist auch 2022 keine Entspannung in Sicht. Ob Haus, Wohnung oder Bauland – die Marktkenner erwarteten zum Zeitpunkt der diesjährigen Befragung in allen Segmenten einen noch stärkeren Preisdruck als in jeder Befragung zuvor.
Doch selten in der jüngeren Vergangenheit, nicht einmal in den beiden zurückliegenden Pandemie-Jahren, waren die Zeiten in Deutschland so unsicher wie in diesem Jahr. Seit dem 24. Februar 2022, als Russland seinen Angriff auf die Ukraine begonnen hat, herrscht wieder Krieg in Europa. In Kombination mit Chinas repressiver Bekämpfung des Corona-Virus führt dies auch zu weiteren tiefen ökonomischen Einschnitten. Die Lieferketten sind abermals gerissen, es herrscht in allen Bereichen Knappheit, die Energiepreise explodieren. In der Folge werden die Verbraucherpreise in Deutschland 2022 voraussichtlich so stark steigen, wie seit den 1970er Jahren nicht mehr: Die Bundesbank rechnet mit einer Inflation von deutlich über 7 Prozent. Die Europäische Zentralbank hat als Gegenmaßnahme angekündigt, die Leitzinsen in mehreren Schritten anzuheben. Die Bauzinsen sind unter anderem in Erwartung der Zinsschritte schon im Frühjahr in die Höhe geschossen.
Welchen Einfluss die steigenden Zinsen auf die Immobilienpreise haben werden, ist nur schwer abzuschätzen. Fest steht: Im Zusammenspiel von Preisen, Zinsen und Einkommensentwicklung sind Immobilien in ganz Deutschland weniger erschwinglich geworden, in den Städten nahezu unerschwinglich. Dies dämpft die Nachfrage der privaten Wohnungskäufer. Doch das Angebot an Wohnungen wird infolge des Material- und Fachkräftemangels weiter knapp bleiben. Deshalb erscheint vorläufig eine Beruhigung der Immobilienpreise unter den aktuellen Vorzeichen wahrscheinlicher als ein substanzieller Rückgang.
Ist der Traum von den eigenen vier Wänden damit auf absehbare Zeit geplatzt? Dass das zu viel Pessimismus wäre, zeigt nicht zuletzt die Befragung der Immobilienvermittler. Sie erleben in ihrem Geschäft tagtäglich: Wo ein Wille ist, ist oft auch ein Weg. Einer der am häufigsten beschrittenen ist es, einen höheren Kredit aufzunehmen. Damit beißen die Käufer zwar in einen sauren Apfel, unverändert sorgfältige Bonitätsprüfung durch die Kreditinstitute bewahren sie jedoch vor Leichtsinn. Zu den weiteren, oft genutzten Möglichkeiten, den Wunsch nach Eigentum doch noch in die Tat umzusetzen, gehört die Verlagerung der Suche in günstigere Regionen und das Erbringen von mehr Eigenleistung. Auch Abstriche an Wohnfläche und Ausstattung sind an der Tagesordnung.
Dass zudem mehr Eigenkapital gebraucht wird, steht auf einem anderen Blatt. Nach Erfahrung der Immobilienvermittler geben in vielen Fällen die Eltern einen Zuschuss oder es wird ein (vorgezogenes) Erbe in die Finanzierung eingebracht. Häufig wird eine vorhandene Immobilie verkauft oder beliehen, hin und wieder aber auch schlicht der Kauf verschoben, um länger sparen zu können. Allein: Diese Zeit hat nicht jede Familie. Ein größeres Heim wird zumeist spätestens dann dringend benötigt, wenn die Kinder in die Schule kommen; passende Mietwohnungen sind rar. Deshalb ist es in Zeiten wie diesen so wichtig, dass Wohneigentum gefördert wird – und dass diese Unterstützung vor allem am mangelnden Eigenkapital ansetzt.