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PREISE UND PROGNOSEN

Wende am Wohnungsmarkt

„Wir erleben eine Zeitenwende“, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung zum Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gesagt. Seitdem ist mehr als ein Jahr ergangen. Noch immer herrscht Krieg in Europa. Deutschland zählt durch die vielen Kriegsgeflüchteten 1,1 Millionen Einwohner mehr als ein Jahr zuvor – und die angekündigte Zeitenwende hat auch die Wirtschaft erfasst: Die Energiekosten sind explodiert. Die Inflation erreichte 2022 mit einer durchschnittlichen Rate von 6,9 Prozent lange nicht mehr gekannte Ausmaße. Als Reaktion darauf hat die EZB die Niedrigzinsphase beendet und die Leitzinsen in mehreren Schritten von 0 auf 4,25 Prozent (Stand Juli 2023) angehoben.

All dies macht sich auch auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar: Die Zinsen für Immobilienkredite haben sich binnen weniger Monate fast vervierfacht. Parallel klettern die Baukosten immer weiter – zum einen, weil Materialien teurer geworden sind, und zum anderen, weil die (energetischen) Anforderungen an den Neubau gestiegen sind. Die Bauwirtschaft meldet Stornierungen, weil sich durch die ungünstige Entwicklung Kalkulationen zerschlagen haben, und die Fertigstellungsprognosen werden fortlaufend nach unten korrigiert. Schon jetzt ist klar, dass die Bundesregierung ihr Neubauziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr weit verfehlen wird. Wohnraum bleibt auf absehbare Zeit Mangelware in Deutschland.

Für private Haushalte sind Immobilienfinanzierungen derzeit kaum noch zu stemmen. Dies betrifft aber nicht nur den Neubau, sondern auch die Wohneigentumsbildung im Bestand leidet. Die Aussagen der Immobilienvermittler von LBS und Sparkassen, die alljährlich für das LBS-Frühjahrsbarometer befragt werden, sprechen davon eine beredte Sprache: Erstmals seit der Finanzkrise 2009 gehen die Marktkenner nicht mehr von einer steigenden Nachfrage nach Wohnimmobilien aus, sondern im Gegenteil von einem kräftigen Einbruch.

Einen Rückgang der Preise konnten die LBS-Experten in den Groß- und Mittelstädten zum Zeitpunkt der Befragung im Winter und frühen Frühjahr 2023 auf Basis der von ihnen vermittelten Objekte noch nicht beobachten (Grafik Seite 9), sie rechnen allerdings für den Jahresverlauf damit. Sowohl Eigentumswohnungen als auch Einfamilienhäuser und Reihenhäuser dürften demnach wieder etwas günstiger werden, insbesondere in den Städten, aber auch in abgelegeneren ländlichen Regionen. Im Umland der Städte und in anderen verdichteten Regionen werden die Preiskorrekturen den Erwartungen der Immobilienfachleute zufolge moderater ausfallen. Beim Bauland erwarten sie insgesamt nur leichte Preisrückgänge.

Die Wohneigentumsbildung bleibt also schwierig, weil die höhere Belastung durch die Zinsen nicht vollständig von geringeren Preisen kompensiert wird. Trotzdem gelingt der Sprung in die eigenen vier Wände immer noch und immer wieder. Welche Register die Kaufinteressenten dafür zu ziehen bereit sind, beobachten die Immobilienvermittler aus nächster Nähe (Grafik links): Die meist genutzte Erfolgsstrategie ihrer Kundinnen und Kunden ist das Erbringen von mehr Eigenleistung. Aber auch Kompromisse bei Objekt und Standort sind an der Tagesordnung. Wer kann, mobilisiert zudem weitere Kapitalquellen. Nur verzichten – das ist für die meisten keine Option. Und das ist auch gut so, denn jeder Eigentümerwechsel bringt auch den Klimaschutz voran (Grafik): Fast 90 Prozent der Immobilienvermittler berichten, dass Neu-Eigentümer ihre fossile Heizung früher oder später durch ein nachhaltigeres Modell ersetzen wollen – gut jeder fünfte Vermittler hat beobachtet, dass der Heizungstausch kurzfristig erfolgen soll.

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